Berechnung der Kündigungsfrist – Zählt die Ausbildungszeit mit?


Von:  BV, GIT, Isabel Birk / 13.09.2019 / 07:32


§ 45 Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten im Maler- und Lackiererhandwerk regelt die Kündigungsfristen. Für die Kündigung durch den Arbeitgeber wird unter Ziffer 2 ergänzt: „Bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit nach Nr. 2 werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt.“


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Zeiten vor dem 25. Lebensjahr betreffen daher recht häufig die Ausbildungszeit im Betrieb. Gerade haben in vielen Betrieben die Auszubildenden ihre Ausbildung abgeschlossen – viele wechselten danach vermutlich den Betrieb, andere wiederum wurden direkt vom Ausbildungsbetrieb als Junggeselle übernommen.

Stellt sich in den folgenden Monaten der Junggesellenzeit heraus, dass die Zusammenarbeit doch nicht wie gewünscht läuft, möchte der Betrieb ggf. kündigen. Dann ist fraglich, ob für die Berechnung der Kündigungsfrist die vorausgegangene Ausbildungszeit zu berücksichtigen ist (entsprechend der Formulierung der Ziffer 2; diese Formulierung war bis zu seiner Neufassung zum 01.01.2019 auch in § 622 BGB enthalten).

Grundsätzlich liegt der Bezug bei den gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen (nach RTV) ausdrücklich auf dem Begriff „Arbeitsverhältnis“. Klar ist, dass ein „Ausbildungsverhältnis“ kein „Arbeitsverhältnis“ ist.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht schon 1999 entschieden, dass die Ausbildungszeit zu berücksichtigen ist, wenn der Mitarbeiter direkt nach der Ausbildung von dem Betrieb übernommen wurde. Das bedeutet in der Konsequenz, dass Ausbildungszeit und Dauer der Beschäftigungszeit im Arbeitsverhältnis (hier also die Junggesellenzeit) im Fall einer Kündigung addiert werden müssen. Darüber hinaus wurde inzwischen aber auch entschieden, dass die Regelung bzgl. des 25. Lebensjahres altersdiskriminierend ist und damit unwirksam ist. Sie darf daher nicht mehr angewendet werden. Das heißt in einem Beispiel:
M absolvierte seine Ausbildung vom 01.08.2013 bis 31.07.2016 in Betrieb B und schloss sie erfolgreich ab. Er begann seine Ausbildung mit 17 Jahren und war bei Ende 20 Jahre alt. Anschließend wurde er direkt von seinem Ausbildungsbetrieb als Junggeselle übernommen. Am 20.05.2019 kündigte man sein Arbeitsverhältnis.

Weil er zum Kündigungszeitpunkt etwa 23 Jahre alt war, hätten nach der ergänzenden Formulierung unter Ziffer 2 weder Ausbildungs- noch Junggesellenzeit bei der Berechnung der Kündigungsfrist mitgezählt (= tarifliche Kündigungsfrist von 12 Werktagen bei mehr als sechs Monaten Beschäftigungszeit).

M ist nach der Berechnung des BAG-Urteils aber schon über fünf Jahre bei dem Betrieb beschäftigt (drei Jahre Ausbildungszeit plus Beschäftigungsdauer von August 2016 bis Mai 2019).

Weil M aber direkt im Anschluss durch den Betrieb übernommen wurde, muss aufgrund des Urteils vom Dezember 1999 die Ausbildungszeit von M in Betrieb B bei der Kündigungsfrist berücksichtigt werden. Nach § 45 RTV, Ziffer 2 beträgt die Kündigungsfrist damit mindestens einen Monat zum Monatsende.

Achtung: Dies gilt wie gesagt nur für Fälle, in denen der Auszubildende unmittelbar im Anschluss an die Ausbildung durch den Betrieb übernommen wurde!

(BAG, Urteil vom 02.12.1999, Az.: 2 AZR 139/99)

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