Automatisierung auf Basis von KI: Digitaler Support für den Fachbetrieb


Von:  BV - Christian Müller / 30.08.2021 / 09:35


OSNABRÜCK. Was früher alles per Hand eingegeben werden musste, geht heute ganz einfach über einen Scan oder in Form eines digitalen Prozesses. Der Vorteil hierbei liegt klar in der Arbeitszeitersparnis. Die laufende Entwicklung in der Digitalisierung wirft aber auch viele Fragen und Zweifel auf, denn der Markt bringt ständige neue Systeme für das Werkstatt-Management hervor. Wie die Zukunft in diesem Bereich aussehen und welche Vorteile darin die smarte Fahrzeugscheinerkennung spielen könnte, hat uns Maximilian Stein, Co-Founder von „mmmint.ai“, in unserem Interview-Format "5 Fragen an..." geschildert.


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  • Die Digitalisierung wird die Modernisierung der Betriebe vorantreiben: Automatisierte Prozesse werden Fahrzeuglackierern helfen, ihre Arbeit zeitschonender durchzuführen.

Herr Stein, Digi Tec und zahlreiche Ideen zur künstlichen Intelligenz sind gegenwärtig in aller Munde. Wie bewerten Sie ganz persönlich die Entwicklung?

Maximilian Stein: Zu allererst möchte ich klarstellen, dass Künstliche Intelligenz kein Heilmittel für jedes Problem darstellt. Viele Projekte, die aktuell durch die Branche geistern, sind tatsächlich eher der klassischen Digitalisierung zuzuweisen, statt einem Teilbereich der Künstlichen Intelligenz. Grundsätzlich finde ich es jedoch super spannend, welche Lösungsansätze sich entwickeln. Die Großindustrie und insbesondere technologielastige Branchen bedienen sich schon seit mehreren Jahren diesem Anwendungsbereich; bildlich für unser Handwerk gesprochen, befinden wir uns aktuell noch auf einer grünen Wiese. Auch wenn ich es nachvollziehen kann, finde ich es schade, dass viele Unternehmer aus unserem Gewerk eher Angst vor dieser Art Anwendung haben und weniger offen mit dieser Thematik umgehen. Richtig eingesetzt ermöglicht Künstliche Intelligenz auch in unserer Branche ein deutlich effizienteres, ressourcenschonenderes und wettbewerbsfähigeres Wirtschaften.

Mit Ihrem Start-Up „mmmint.ai“ haben Sie und Ihre Partner u.a. auch eine smarte Fahrzeugscheinerkennung entwickelt. Was genau ist der Mehrwert dieser Anwendung für die K&L-Betriebe? Wie ist diese in geläufige Werkstattprogramme integrierbar?

Maximilian Stein: Der Mehrwert liegt simpel formuliert in der automatisierten Erfassung von Fahrzeug- und Adressdaten. Konkret findet hier eine schwache KI Anwendung. Unsere Applikation haben wir gegen eine moderne, offene API-Schnittstelle entwickelt. Foto rein, Informationen strukturiert raus. Hintergrund war hier, dass es mich persönlich in unserem Betrieb gestört hat, dass bei der Anfrage von Neukunden, beispielsweise über E-Mail, erst mühsam und händisch alle Daten im DMS erfasst werden mussten. Nun nimmt uns die schwache KI hier die mühsame und ehrlich gesprochen auch langweilige Arbeit ab. Genau hier sehe ich auch den Mehrwert für diese Art von Software. Unserer Idee nach geht es darum, stupide und oft repetitive Prozesse smart zu automatisieren. Eine Integration wird, zumindest nachhaltig, nur mit einem Austausch über den jeweiligen DMS-Anbieter möglich sein. Nachvollziehbarer wird der Anwendungsfall, wenn wir uns beispielsweise unsere Landingpages für K&L Betriebe ansehen. Hier haben wir im Hintergrund der Landingpage für Smart Repair Anfragen unseren Fahrzeugscheinscanner angeschlossen. Wir haben jedoch noch diverse weitere Tools in der Entwicklung, wie beispielsweise eine geführte digitale Schadensmeldung oder ein Modul zur Vorhersage von Wartungsintervallen. In unserer Branche schlummert, zumindest nach unserem Empfinden, ein großes Potenzial!

Was ist der Vorteil Ihrer Anwendung gegenüber Datenanbietersysteme mit KI bei der Schadenkostenermittlung?

Maximilian Stein: In diesem Bereich sind wir aktuell noch nicht tätig. Wir bieten keine Lösung an, die automatisiert die Kalkulation übernimmt. Persönlich habe ich in diesem Bereich diverse Anbieter getestet und bin mir sehr wohl dem Stand der Technik, den Stärken und den aktuellen Schwächen bewusst. So sehe ich persönlich eine komplett automatisierte Schadenskalkulation anhand von Bildmaterial oder Sensordaten für Strukturschäden als noch nicht marktreif. Wohingegen eine Vorkalkulation zur Entlastung von Sachverständigen aus meinen Augen durchaus Sinn macht. KI kann in diesem Kontext auch weit mehr als nur die reine Kalkulation erstellen. Es lassen sich aus den großen Datenmengen spannende Schlüsse ziehen, insbesondere hinsichtlich Verformungsgrad, Schadensbild und sonstiger Metadaten, die so eine Kalkulation mit sich zieht. Wir forschen hier aktuell im Bereich der „Predictive Maintenance“, also der Vorhersage von Wartungsintervallen und Verschleißerscheinungen bei Fahrzeugen. Einen weiteren Anknüpfungspunkt für eine automatisierte Angebotserstellung sehe ich bei unseren Landingpages für Smart Repair. Bei diesen Schadensbildern sind die Beschädigungen oft kosmetischer Natur und in den meisten Fällen auch simpel anhand des Bildmaterials kalkulierbar.

Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Co-founder von „mmmint.ai“ auch Geschäftsführer eines Lackierbetriebs in Osnabrück. Wie sieht Ihrer Meinung nach ein Fahrzeuglackierbetrieb im Jahr 2040 aus?

Maximilian Stein: Ganz ehrlich – wir planen nicht in diesen Zeitzyklen. Wir richten uns, nach unserem Empfinden, strategisch richtig aus und etablieren weitere Standbeine neben der klassischen Reparaturlackierung. Wir haben ein sehr junges Team, legen hohen Wert auf Aus- und Fortbildung, investieren in nachhaltige Energiekonzepte wie Photovoltaik und zertifizieren unsere Mitarbeiter in Bereichen der Elektronikkompetenz. Smart- und Spotreparaturen gewinnen immer mehr an Attraktivität, da größere Schäden langfristig aufgrund von besser agierenden Assistenzsystemen abnehmen werden. Unser Betrieb ist genau darauf ausgelegt. Die Ausgründung eines Software Startups mit dem Fokus auf KI für die Werkstatt- und Automobilbranche ist vielleicht ein gewagter Schritt, aber auch das sehen wir nur als weiteres Standbein zur langfristigen Sicherungen unserer Arbeitsplätze. Mobilität wird sich in meinen Augen grundlegend verändern. Es wird weniger Fahrzeuge geben auf der Straße. Vielleicht entwickeln wir uns zu einem Car-Sharing-Lizenznehmer für autonom fahrende Autos im innerstädtischen Bereich und kümmern uns um die Wartung und Pflege dieser Fahrzeuge. Vielleicht beschichten wir Oberflächen die über die klassische PKW-Tür hinaus geht, vielleicht aber auch nicht. Was wir sicher wissen ist, dass wir mit unserem jungen und motivierten Team am Zahn der Zeit bleiben werden. Wer Ihnen aber heute zusagt, wie eine Lackiererei im Jahr 2040 aussehen wird, der wird sich in 20 Jahren gehörig umsehen und wahrscheinlich darüber wundern, was alles nicht passiert ist.

Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht über neueste Trends im Digitalen nachdenken oder einen Betrieb führen?

Maximilian Stein: Privat habe ich vor einiger Zeit den Triathlon für mich entdeckt, wobei dieser bei den hier beschriebenen Projekten zwischen Werkstatt und KI tatsächlich etwas schleift aktuell. Aber gut, ich denke das gehört dazu. 

Herr Stein, vielen herzlichen Dank für das Gespräch.
 


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